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BdS Stellungnahme zum HmbBGG

12.03.2019 von LAG Redaktion

 

Novellierung des Hamburgischen Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung

Sehr geehrte Frau Drews,

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir vom Bund der Schwerhörigen Hamburg e.V. möchten eine Stellungnahme zum Entwurf der Novellierung des Hamburgischen Behindertengleichstellungsgesetzes (HmbBGG) abgeben. In unserem Forderungskatalog, der gemeinsam mit dem Gehörlosenverband Hamburg erstellt und Ihnen seinerzeit zugesandt wurde, hatten wir Punkte genannt, die für uns Menschen mit Hörbehinderung, wichtig sind. Einige davon finden wir im neuen Novellierungsentwurf wieder, welches von uns positiv bewertet wird. Folgende Punkte sind jedoch aus unserer Sicht nicht hinreichend im Gesetzesentwurf aufgelistet.

 

1.            Gesetzesentwurf


§2 Geltungsbereich

Um die Vorgabe der UN-Behindertenrechtskonvention einer vollen gesellschaftlichen Teilhabe zu erfüllen, sollte sich der Geltungsbereich nicht nur auf öffentliche Stellen beschränken. Menschen mit Hörbehinderung müssen auch im privaten Bereich, etwa im Geschäftsverkehr oder bei Veranstaltungen mit Unterstützung von Schriftdolmetschern oder Gebärdensprachdolmetschern oder mit technischen Hilfsmitteln barrierefrei kommunizieren können. Solange private Unternehmen und Einrichtungen nicht zur barrierefreien Kommunikation verpflichtet werden können, ist es Aufgabe des Staates, hier Abhilfe zu schaffen. In diesem Zusammenhang weisen wir nochmals auf die Forderung eines bedingungslosen Budgets einer festgelegten Anzahl an Dolmetschstunden pro Monat zur Gewährleistung der vollen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hin.

§§ 5 (Barrierefreiheit) und 7 (Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr)

In diesen Paragraphen ist unsere Forderung, dass Informations-, Notruf- und Katastrophenwarnsysteme für Hörbehinderte nutzbar sein müssen, unzureichend berücksichtigt. (Zwei-Sinne-Prinzip; siehe auch DIN 18040-1:2010-10, 4.4.1 Allgemeines). Die Novellierung des HmbBGG sollte sicherstellen, dass auch Bestandsgebäude barrierefrei auszugestalten sind.

Im Bereich Verkehr - ÖPNV und Bahn - müssen zum Beispiel folgende Punkte gewährleistet sein:  

- sofortige Visualisierung von Durchsagen in S-Bahnen, U-Bahnen und in Bussen  

- Nutzbarkeit der Notrufsäulen durch Schrift, Bild und Induktionsanlage

§7 Absatz 6

Bei der Entwicklung von Konzepten und der Umsetzung von Maßnahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit muss sichergestellt sein, dass Behindertenverbände beziehungsweise das Kompetenzzentrum in jedem Fall hinzugezogen werden müssen.

§8 Barrierefreie Kommunikation

Absatz 3

Die Deutsche Gebärdensprache ist bereits seit 2002 eine anerkannte Sprache. Somit ist das Wort „wird" durch „ist" zu ersetzen.

§§8 (Barrierefreie Kommunikation) und 11 (Barrierefreie Informationstechnik):

- Anfragen per E-Mail müssen zeitnah beantwortet werden

- Implementierung eines kostenfreien Online-Service-Telefons für Hörgeschädigte mit Hilfe von z.B. tess-Relay-Diensten analog der Deutschen Rentenversicherung

- Implementierung von Chatfunktionen (Anbieter: https://publicplan.de/produkte/govchatsicherer-messenger-fuer-behoerden)

 

2.            Erläuterungen zum Gesetzes-Entwurf

§6 Absatz 2

Der Textteil: "[...] können zum Beispiel die Hinzuziehung von Gebärdensprachdolmetscherinnen oder Gebärdensprachdolmetscher [...] sein" ist zu ergänzen durch „[...], Schriftdolmetscher oder technischen Hilfen wie Induktionshöranlagen [...] sein". Nach wie vor erleben wir, dass Schriftdolmetscher der Allgemeinheit nicht bekannt sind.

Im HmbBGG ist ein finanzieller Nachteilsausgleich für gehörlose und schwerhörige Menschen nicht vorgesehen. Wir fordern für diesen Personenkreis eine Regelung analog zum HmbBlinGG.

 

Forderungskatalog des Bundes der Schwerhörigen e.V. und Gehörlosenverbandes Hamburg e.V. zur Novellierung des "Hamburgisches Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (HmbGGbM)"

Um eine gleichberechtigte Teilhabe gehörloser und schwerhöriger Menschen in Hamburg zu ermöglichen, bei denen eine Hörbehinderung im Sinne des Schwerbehindertenrechts mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 festgestellt wurde, muss im Regelungsbereich der Freien und Hansestadt Hamburg das HmbGGbM in folgenden Punkten novelliert werden:

1. Gesellschaftliche Teilhabe

Jedem gehörlosen und hochgradig schwerhörigen Menschen steht das Recht auf Nutzung von Gebärdensprachdolmetschern, Schriftdolmetschern oder anderen Kommunikationshilfen in der gesellschaftlichen Teilhabe zu. Hierfür erhalten sie von der Freien und Hansestadt Hamburg ein Budget von 15 Dolmetschstunden im Monat zur Verfügung, für die es im Bereich der gesellschaftlichen Teilhabe keinen anderen Kostenträger gibt. In begründeten Fällen kann das Budget auf Antrag erhöht werden. Dieses Recht soll im HmbGGbM festgeschrieben werden. Einzelheiten sollen in der Kommunikationshilfenverordnung geregelt werden.




2. Schriftdolmetscher

Neben dem bestehenden Recht auf Verwendung der Deutschen Gebärdensprache oder lautsprachbegleitenden Gebärden muss explizit das Recht auf Nutzung von Schriftdolmetschern genannt werden. Die Träger öffentlicher Gewalt haben die notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Hier müssen u.a. die SS 5 und 8 HmbGGbM entsprechend ergänzt werden]

 

§ 3. Taube Gebärdensprachdolmetscher

Gehörlose oder schwerhörige Menschen, die aufgrund der bisher mangelnden Kommunikationsmöglichkeiten erhebliche Bildungsdefizite besitzen oder die neben ihrer Hörbehinderung eine kognitive Einschränkung (Lernbehinderung oder Geistige Behinderung) haben, benötigen neben hörenden Gebärdensprachdolmetschern auch taube Gebärdensprachdolmetscher, die in der Lage sind, das Gesagte des hörenden Gegenübers bzw. das Gebärdete des Gebärdensprachdolmetschers in einfache Gebärdensprache zu übersetzen. Dazu sind hörende Gebärdensprachdolmetscher in der Regel nicht in der Lage. Dieses Recht der Nutzung von tauben Gebärdensprachdolmetschern und die notwendige Kostenübernahme durch die Träger öffentlicher Gewalt sollen im HmbGGbM festgeschrieben werden.

 

3. Assistenz für Taubblinde

Taubblinde Menschen sollen das Recht bekommen, eine persönliche Assistenz für die gesellschaftliche Teilhabe zu bekommen. Diese Kosten müssen von der Freien und Hansestadt Hamburg übernommen werden.

 

4. Gebärdensprachkurse und Kommunikationskurse

Auch hörende Bezugspersonen sind für die gesellschaftliche Teilhabe von gehörlosen und schwerhörigen Menschen von besonderer Bedeutung. Hörenden Bezugspersonen, die sich auf die Kommunikationsbedürfnisse der gehörlosen und schwerhörigen Menschen einstellen wollen, muss die Möglichkeit gegeben werden Kurse zu besuchen.

Die Kosten für den Besuch der Kurse in Deutscher Gebärdensprache und Lautsprachbegleitenden Gebärden sowie für Kommunikationskurse (Erlernen von vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten wie Umgang mit induktiver Hörtechnik und Schulung von Ablesefähigkeiten/ Mundabsehen) für diese Bezugspersonen sowie für gehörlose und schwerhörige Menschen sollen von der Freien und Hansestadt Hamburg getragen werden.

 

5. Frühförderung

Den Eltern von hörbehinderten Kindern muss eine neutrale Beratung von ausgebildeten gehörlosen oder schwerhörigen Fachleuten (Peer-Beratung) angeboten werden.   

 

 

6. Hörbehindertengerechtes Bauen

Alle öffentlich zugänglichen Gebäude sowie Veranstaltungsräume sollen so ausgestattet werden, dass sie für gehörlose und schwerhörige Menschen mittels technischer Lösungen wie Induktionshöranlagen barrierefrei zugänglich werden (barrierefreie Kommunikationstechnik). Hierzu ist eine hörgerechte Raumakustik nach DIN 18041 umzusetzen. Sie vereinfacht das Zuhören für Alle und kommt deshalb sowohl den Nicht-Hörbehinderten als auch den Hörbehinderten zugute. Eine hörgerechte Raumakustik ist — wenn sie einmal eingebaut wurde — immer da und muss auch nicht eingeschaltet werden. Sie hilft in der allgemein üblichen Weise ohne besondere Erschwernis und vollständig ohne fremde Hilfe.

Der S 7 HmbGGbM "Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr" muss wie folgt ergänzt werden: "Bei der Planung sind die Betroffenenverbände (u.a. Bund der Schwerhörigen und Gehörlosenverband Hamburg) zur Sicherstellung der Barrierefreiheit frühzeitig einzubinden. Hierzu ist ihnen fachliche Unterstützung durch das Kompetenzzentrum für ein barrierefreies Hamburg zu gewährleisten"

 

7. Zwei-Sinne-Prinzip im öffentlichen Raum

Alle akustischen Informationen im öffentlichen Raum (z.B. Ansagen im ÖPNV) müssen auch visuell sichtbar gemacht werden.

8. Fernmündliche Kommunikation mit Behörden in Schrift oder Gebärden

Für gehörlose und schwerhörige Menschen ist es wichtig, dass sie im eigenen Verwaltungsverfahren die Möglichkeit haben, anstelle eines Telefonats die fernmündliche Kommunikation auch mittels schriftlicher Kommunikation (bspw. durch eMail) durchzuführen, um mit Behörden in Kontakt treten zu können. Hierzu ist es im Sinne einer Gleichbehandlung von behinderten und nicht-behinderten Menschen bei der fernmündlichen Kommunikation erforderlich, den Behörden die Verpflichtung aufzulegen, zeitnah (spätestens am Folgetag) zu antworten.

In diesem Zusammenhang kann die schriftliche oder mündliche Kommunikation mit Behörden auch durch Dienste ersetzt werden, die eine gebärdensprachliche oder schriftsprachliche Verdolmetschung oder Übersetzung der Kommunikation/der Dokumente anbieten. Hier bietet die Freie und Hansestadt Hamburg entsprechend eine kostenfreie Nutzung der Kommunikation mit Behörden an, welche im HmbGGbM verankert ist.


   
9. Finanzieller Nachteilsausgleich für gehörlose und schwerhörige Menschen

Analog zum Blindengeld soll es für gehörlose und schwerhörige Menschen einen finanziellen Nachteilsausgleich (Hörbehindertengeld) geben, um einen durch die Hörbehinderung bedingten gesellschaftlichen und beruflichen Nachteil auszugleichen.

 

10. Katastrophenwarnsystem

Es muss sichergestellt werden, dass Informations-, Notruf- und Katastrophenwarnsysteme auch für gehörlose und schwerhörige Menschen nutzbar sind. Es sind z.B. videobasierte Gebärdensprachdienste in das entsprechende Kommunikationssystem einzubinden. Zukunftsweisende, unterstützende Kommunikationstechnologien für hörbehinderte Menschen müssen gefördert werden.

 

 

 

 

 

Folgende Ergänzungen sind hier gemeint:

§ 5 HmbGGbM Gebärdensprache, Schriftdolmetscher und andere Kommunikationshilfen

(1) Die Deutsche Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt.

(2) Lautsprachbegleitende Gebärden sind als Kommunikationsform der deutschen Sprache anerkannt.

(3) Hörbehinderte Menschen (gehörlose, ertaubte und schwerhörige Menschen) und sprachbehinderte Menschen haben nach Maßgabe der einschlägigen Gesetze das Recht, die Deutsche Gebärdensprache oder lautsprachbegleitende

Gebärden zu verwenden. Soweit sie sich nicht in Deutscher Gebärdensprache oder mit lautsprachbegleitenden Gebärden verständigen, haben sie nach Maßgabe der einschlägigen Gesetze das Recht, Schriftdolmetscher oder andere geeignete Kommunikationshilfen zu verwenden.

§ 8 HmbGGbM Recht auf Verwendung von Gebärdensprache, Schriftdolmetscher und anderen Kommunikationshilfen

(1) Hör- und sprachbehinderte Menschen haben nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2 das Recht, mit den

Trägern öffentlicher Gewalt in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden, mit

Schriftdolmetscher oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren, soweit dies zur

Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist. Die Träger öffentlicher Gewalt haben dafür nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2 die notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

(2) Der Senat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung über

1. Voraussetzungen und Umfang des Anspruchs nach Absatz 1,

2. Grundsätze und Höhe für eine angemessene Vergütung oder eine Erstattung von notwendigen Aufwendungen aus Haushaltsmitteln der Freien und Hansestadt Hamburg für die Dolmetscherdienste oder den Einsatz anderer geeigneter Kommunikationshilfen nach Absatz 1 Satz 1 und

3. Kommunikationsformen, die als andere geeignete Kommunikationshilfen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 anzusehen sind, zu bestimmen.

 

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