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Stellungnahme zum Entwurf des Krankenhausplanes 2015

24.09.2010 von LAG Redaktion

Forum Patientenvertretung in Hamburg : Arbeitsgemeinschaft der Patientenvertretungen in Hamburg Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen e.V. (LAG) Krankenhausplan 2015, Entwurf vom 30.8.2010 Stellungnahme zur Anhörung am 24.9.2010 1. Allgemeines Der vorliegende Entwurf enthält Ansätze und Überlegungen, die wir begrüßen. Aus unserer Sicht ist eine Krankenhausplanung in öffentlicher Verantwortung, die sich an Qualität und Transparenz orientiert, weiterhin oder sogar mehr als bisher nötig. Das ökonomisch bedingte Handeln der Akteure der Gesundheitswirtschaft bietet ohne öffentliche Planung und Kontrolle keine Gewähr, die Interessen und Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten ausreichend zu berücksichtigen, besonders dann, wenn es sich um spezielle Patientengruppen handelt, die ökonomisch nicht attraktiv sind. Dies zeigt sich aus unserer Sicht z.B. an der Gründung spezieller kleiner Privatkliniken, die sich an eine zahlungskräftige Privatkundschaft wenden, durch große Krankenhausträger in Hamburg. Vorschläge zu einzelnen Fachgebieten und -themen 2. Psychiatrie und Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik (Kap. 4.2.3. u.a.) Dieser Bereich stellt einen Schwerpunkt des Krankenhausplanes dar und soll auch in unserer Stellungnahme herausgehoben werden. 1) Wir begrüßen den Prüfauftrag zur Weiterentwicklung der Psychiatrie / Psychotherapie, Psychosomatik, Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hamburg und halten die Fortsetzung der mit diesem Prüfauftrag betrauten Arbeitsgruppe für dringend geboten. Wir regen an, daran zukünftig auch Patientenvertreter zu beteiligen. 2) Wir begrüßen auch, dass die zwischen der BSG, Vertreterinnen und Vertretern der Krankenkassenverbände in Hamburg und der HKG aufgrund der bisherigen Teilergebnisse und Empfehlungen dieser Arbeitsgruppe erarbeiteten Vorschläge in den Krankenhausplan-Entwurf mit aufgenommen wurden. 3) Die Entwicklung von Versorgungspfaden, die Flexibilisierung der teilstationären Behandlung sowie die Erprobung von Patientenbudgets werden von uns grundsätzlich unterstützt, wenn sie so ausgestattet werden, dass sie zu einer Qualitätsverbesserung beitragen. 4) In diesem Zusammenhang halten wir es auch für richtig und vertretbar, die meisten Anträge auf Erhöhung der Bettenzahlen zunächst auszusetzen und erst dann darüber zu entscheiden, wenn die abschließenden Ergebnisse und Empfehlungen der Arbeitsgruppe vorliegen und die Beratungen der damit zu befassenden Gremien abgeschlossen sind. 5) Wir erhoffen uns von der Arbeitsgruppe weitere innovative Empfehlungen, die die Intention „ambulant vor stationär“ stärken, vollstationäre Aufenthalte - wo möglich - verringern und Chancen nutzen, die Grenzen zwischen ambulant und stationär zu überwinden. 6) Die Tageskliniken sollten in eine Verbesserung der allgemeinen psychischen Krisenbehandlungen durch erweiterte Öffnungszeiten an Wochenenden und Feiertagen mit einbezogen werden. Bei der im Planentwurf angestrebten Flexibilisierung der tagesklinischen Leistungen sollte dieser Aspekt einbezogen werden. 7) Im Krankenhausplan wird nicht näher auf die erhöhte Anzahl an Notaufnahmen in der psychiatrischen Kliniken eingegangen (vgl. dazu auch die Ausführungen in der Drucksache 19/5844, S.8f, Frage 9). Es wird auch nicht gesagt, wie man mit diesem Anstieg zukünftig umgehen will. Einen Grund für den Anstieg sehen wir in den unzureichenden außerklinischen Möglichkeiten einer Krisenintervention und -behandlung, insbesondere in den Nachtstunden, an Wochenenden und Feiertagen. Wir fordern, dass hier ein Netzwerk medizinischer und psychosozialer Betreuung geknüpft wird, welches bei Bedarf ohne sofortige stationäre Aufnahme rund um die Uhr für Angehörige und Betroffene erreichbar ist, die alleine, in ihren Familien und nicht in Einrichtungen des Betreuten Wohnens leben. 8) Die geplante neue Sektorenaufteilung, die mit der Eröffnung der Klinik in Wandsbek vorgesehen ist, wird von uns begrüßt. Damit sollten zugleich für Eilbek und Wandsbek innovative Modelle im Sinne der Empfehlungen der Arbeitsgruppe verbunden werden. Bei dieser Gelegenheit sollte klargestellt werden, daß die Sektorenzuordnung sich auf Aufnahmeverpflichtungen der Krankenhäuser bezieht. Patienten müssen die Möglichkeit haben, im Einzelfall auch ein anderes Krankenhaus zu wählen. 9) Wir regen an, das Geesthachter Modell (Auflösung einer Station und Nutzung dieser Ressourcen für ein home-treatment“) für die Sektoren Wandsbek und Eilbek zu ermöglichen. Damit könnte die Aussage im Entwurf (S.3) “ Die Gesundheits- und Medizinmetropole Hamburg ist durch die Breite der hier vertretenen Versorgungs-angebote, die starke Vernetzung der Anbieter, die räumliche Nähe und die Stadtstaatssituation dafür prädestiniert, neue Versorgungsformen zu entwickeln und beispielgebend umzusetzen“ inhaltlich mit Leben erfüllt werden. 3. Geriatrie (Kap. 8.3.) Wir begrüßen den Kapazitätsausbau der geriatrischen Angebote in Hamburg und sind der Auffassung, daß dieser eher noch weiter beschleunigt fortgesetzt werden muß. Stationäre, teilstationäre und ambulante Versorgung sollten kombiniert und flexibel genutzt werden können. Wir unterstützen ausdrücklich die Auffassung, daß eine geriatrische Abteilung je Krankenhaus höchstens 150 Betten haben sollte, wobei diese Zahl eher schon sehr hoch angesetzt erscheint. Ein Überschreiten dieser Höchstzahl sollte unbedingt durch Aufbau weiterer Angebote an anderen Orten vermieden werden. Bei der weiteren Planung im Bereich der geriatrischen Versorgung sollten Struktur- und Prozeßqualität vertieft betrachtet werden. Es besteht der Eindruck, daß eine annähernd gleichwertige Qualität der geriatrischen Angebote an den verschiedenen Standorten in Hamburg bisher nicht erreicht wurde. Besondere Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung sind bei der weiteren Entwicklung der geriatrischen Angebote zu bedenken und zu berücksichtigen (z.B. für Menschen mit geistiger Behinderung, bei denen Demenzerkrankungen oftmals besondere Verläufe nehmen). 4. Pädiatrie (Kap. 8.4.4.) Bei der Bearbeitung des Prüfauftrages zur Versorgung von Kindern in den Hamburger Krankenhäusern sollten die besonderen Bedürfnisse von Kindern mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen besonders berücksichtigt werden. Selbsthilfeverbände von Familien mit behinderten Kindern sollten in entsprechende Arbeitsgruppen einbezogen werden. 5. Notfallversorgung (Kap. 4.2.1.) Menschen mit bestimmten Behinderungen oder seltenen chronischen Krankheiten werden bei der derzeitigen Organisation der Notfallversorgung in Hamburg nicht optimal versorgt. In bestimmten Einzelfällen kann dies zu schweren Schädigungen führten, die vermeidbar gewesen wären. Die Zuführung zur Notfallversorgung erfolgt in Abhängigkeit von freien Betten. Bei bestimmten einzelnen Patienten (z.B. seltene neuromuskuläre Erkrankungen, seltene Bluterkrankungen) können aber besondere Behandlungsnotwendigkeiten bestehen, die nur im bisher behandelnden Krankenhaus bekannt sind und ggfs. nur dort beherrscht werden. Hier müssen Regelungen ermöglicht werden (z.B. spezielle Notfallausweise), damit diese Patienten im Notfall immer und unabhängig von Belegungszahlen in „ihr“ Krankenhaus gebracht werden. Es ist Patienten und Angehörigen nicht zuzumuten, hierüber Auseinandersetzungen mit Notärzten oder Rettungsdienstfahrern führen zu müssen. Ein „Bett auf dem Flur“ ist in diesen Ausnahmefällen besser als eine zwar den üblichen Regeln der Notfallmedizin entsprechende, im speziellen Einzelfall aber schädigende Behandlung im anderen Krankenhaus. Fachübergreifende Vorschläge 6. Verzahnung ambulanter und stationärer Medizin in die Planung einbeziehen Der Planentwurf nimmt im Kap. 4 in einigen Bereichen auch Informationen auf, die über die stationäre und teilstationäre Krankenhausbehandlung hinausgehen (Palliativmedizinische Angebote, Ambulanzen nach § 116b, Rehabilitationseinrichtungen). Dies sollte ausgebaut werden. Ermächtigungen, Ambulanzen nach anderen Vorschriften als 116b, Medizinische Versorgungszentren (MVZ) in Trägerschaft von oder Kooperation mit Krankenhäusern, Verträge der Integrierten Versorgung, Teilniederlassungen von Krankenhausärzten bzw. Übernahme von Krankenhausleistungen durch vertraglich gebundene niedergelassene Ärzte usw. stellen Elemente einer zunehmenden Durchlässigkeit zwischen ambulanter und stationärer Versorgung dar. Diese müssen im Interesse von Qualitätssicherung und Transparenz für die Patientinnen und Patienten überschaubar gemacht werden. Entsprechende Übersichten sind auch unverzichtbar, um die Bedarfsentwicklung bei stationärer und teilstationärer Krankenhausbehandlung umfassend beurteilen zu können. Die Krankenhausplanung sollte hier erste Planungsschritte – zumindest im Sinne der Sammlung und Veröffentlichung von Daten und Fakten – übernehmen, zumal die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg ihre entsprechenden Verpflichtungen aus § 99 SGB V und § 12 der Ärzte-Zulassungsverordnung offenbar nicht erfüllen kann. 7. Krankenhaus und anschließende Behandlung / Betreuung / Assistenz Eine kompetente und an den Bedürfnissen der einzelnen Patientin, des einzelnen Patienten orientierte Überleitung in ggfs. notwendige nachfolgende Pflege-, Assistenz- und Betreuungsleistungen ist ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung der längerfristigen Ergebnisqualität von Krankenhausbehandlung. Bei manchen Patienten fängt dies schon bei der Sicherung von Unterkunft und Einkommen an. Die Erfüllung der in § 6 Hamburgisches Krankenhausgesetz definierten Aufgaben (Soziale Beratung und Entlassungsmanagement) sollte auch im Rahmen der Krankenhausplanung dokumentiert werden und als Gesichtspunkt bei Entscheidungen über die Aufnahme in den Krankenhausplan berücksichtigt werden. Die soziale Beratung ebenso wie die Organisation des Übergangs in nachfolgende Pflege- und Assistenzangebote muß unabhängig erfolgen, insbesondere unabhängig von wirtschaftlichen Interessen entsprechender Anbieter. Die im HmbKHG geforderten Sozialdienste sind bzw. waren hierfür eine bewährte Organisationsform. Sie dürfen nicht durch ein von externen Pflegediensten angebotenes „Entlassungsmanagement“ ersetzt werden, das eher der Kundenakquisition der beteiligten Pflegedienste dient. 8. Patientenbefragungen und Beschwerdemanagement Der Planentwurf bezieht Aspekte der Qualitätssicherung ausdrücklich in die Planungen ein (z.B. Kap.2.5., 8.1.). Wir schlagen vor, Rückmeldungen der Patientinnen und Patienten über ihre Erfahrungen in die Qualitätssicherung einzubeziehen. Patientenbefragungen, wie sie von etlichen Krankenhäusern sowie von Krankenkassen durchgeführt werden, sollten grundsätzlich in ihren Ergebnissen veröffentlicht werden. Wünschenswert wären übereinstimmende oder jedenfalls vergleichbare Befragungen, deren Ergebnisse dann auch kassenübergreifend bzw. krankenhausübergreifend veröffentlicht werden können. Entsprechende Selbstverpflichtungen der Akteure sollten angestrebt werden. Auch Patientenbeschwerden sollten nach übereinstimmenden bzw. kompatiblen Kriterien dokumentiert und ausgewertet werden. Auch hier wäre eine Selbstverpflichtung der Krankenhausträger zur Veröffentlichung von Beschwerdemanagement-Daten nach einheitlichen Kriterien anzustreben. 9. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen formuliert in Art. 25 hohe Anforderungen an das staatliche Handeln zur Sicherstellung erforderlicher Gesundheitsleistungen für behinderte Menschen. Voraussichtlich wird die Bürgerschaft den Senat mit der Aufstellung eines Hamburgischen Aktionsplanes zur Umsetzung der UN-Konvention beauftragen. Die Krankenhausplanung sollte hierzu einen Beitrag leisten. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang die Aufnahme eines Abschnittes zur Barrierefreiheit der Krankenhäuser in den Planentwurf (Kap. 9.4.). In der Weiterentwicklung sollte nicht nur die bauliche Barrierefreiheit berücksichtigt werden, sondern auch andere Aspekte (z.B. Verfügbarkeit von Gebärdensprachdolmetschern für gehörlose Menschen). Die auch mit der UN-Konvention geforderte barrierefreie Verfügbarkeit von Gesundheitsleistungen erfordert auch ein besonderes Augenmerk auf die Bedürfnisse von Menschen mit bestimmten Behinderungen, die z.B. unabhängig davon an einer krankenhausbehandlungsbedürftigen Krankheit erkranken. Hier ergeben sich öfters Schwierigkeiten im Einzelfall, weil sich in der umfangreichen Krankenhauslandschaft der Metropole Hamburg kaum ein Haus finden läßt, das die Erfordernisse einer bestimmten Behandlung mit den besonderen Anforderungen einer bestimmten Behinderung kombiniert erfüllen kann. Auch für Menschen, die mehrere, normalerweise voneinander unabhängige verschiedene Behinderungen oder chronische Krankheiten aufweisen, findet sich nicht immer eine adäquate Behandlungsmöglichkeit. 10. Krankenhausversorgung für Migranten Zu den Qualitätsgesichtspunkten, die im Krankenhausplan (und ggfs. bei der Entscheidung über Aufnahme in den Krankenhausplan) berücksichtigt werden sollten, gehört auch das angemessene Eingehen auf den in Hamburg hohen Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund. Dies beinhaltet den Einsatz qualifizierter (!) Dolmetschpersonen im Bedarfsfall, womit übrigens im Einzelfall trotz der zusätzlichen Kosten sogar Kostenersparnisse im Behandlungsverlauf entstehen können. Aber auch Kenntnisse und Berücksichtigung kulturspezifischer Besonderheiten, teilweise auch muttersprachliche Angebote sollten gefördert werden. Hier geht es nicht um die Frage, ob nach dem SGB V ein Rechtsanspruch besteht (dies wäre angesichts der Vielzahl der in Hamburg vertretenen Nationalitäten kaum realisierbar), sondern um ein Eingehen auf und eine erfolgreiche Behandlung der tatsächlich vorhandenen Patientinnen und Patienten, deren Krankheitserleben und Handlungsmöglichkeiten bei der Wiedergewinnung von Gesundheit durch ihren kulturellen Hintergrund geprägt sein kann. Hamburg, 24.9.2010 Forum Patientenvertretung in Hamburg Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen e.V. Richardstraße 45, 22081 Hamburg, (040) 29995666, Ansprechpartner Stephan Richter Verbraucherzentrale Hamburg e.V., Fachabteilung Patientenschutz Kirchenallee 22, 20099 Hamburg, (040) 24832-132, Ansprechpartner Christoph Kranich Patienteninitiative Hamburg e.V. Moorfuhrtweg 9e, 22301 Hamburg, (040) 2796465, Ansprechpartnerinnen Kerstin Hagemann, Sonja Chevallier Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen im Paritätischen Wohlfahrtsverband Hamburg Wandsbeker Chaussee 8, 22089 Hamburg, (040) 415201-54, Ansprechpartner Dr.Wolfgang Busse Das Forum Patientenvertretung in Hamburg ist der Zusammenschluss der Patientenorganisationen nach § 140 f SGB V bzw. Patientenbeteiligungsverordnung nach § 140 g SGB V auf Landesebene. Die beteiligten Organisationen sind über die oben genannten Kontaktpersonen erreichbar. Zurück zur homepage der Hamburger LAG für behinderte Menschen

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