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Positionspapier: Strukturen stärken für echte Beteiligung

29.10.2021 von LAG Redaktion

Beim Treffen der Dachverbände der originären Selbsthilfe und Selbstvertretungen auf Länderebene sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe in Dresden wurde folgendes deutlich: Für wirksame Beteiligung von Menschen mit Behinderungen und chronischer Erkrankung an gesellschaftlichen Prozessen ist die Stärkung der bestehenden Selbsthilfe- und Selbstvertretungsstrukturen absolut notwendig. Zu dieser generellen Erkenntnis gelangten die Teilnehmenden immer wieder beim Erfahrungsaustausch und in der Diskussion um konkrete Fragestellungen. Im Einzelnen:

Förderung von Dachverbänden

Die Landesarbeitsgemeinschaften (LAG) und die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) erneuern ihre Forderung aus der Resolution von 2020, dass die Dachverbände der originären gesundheitsbezogenen Selbsthilfe eine stabile, verlässliche Finanzierung insbesondere nach §20h SGB V benötigen. Hierzu ist eine Anpassung des GKV-Leitfadens im Abschnitt A.6 (g) unerlässlich. Ein Verbot der Pauschalförderung muss aufgehoben werden.

Mitarbeit in den MD-Verwaltungsräten

Stimmberechtigte Patientenvertreterinnen – und Vertreter in den Verwaltungsräten sorgen für mehr Transparenz und mehr patientenorientierte Beteiligung bei Entscheidungsprozessen. Allerdings beschränkt die derzeitige Zusammensetzung der Verwaltungsräte die Beteiligungsrechte erheblich:

21 stimmberechtigten Vertreterinnen und Vertreter der Krankenkassen, stehen nur 5 stimmberechtigte Personen der Patientenvertretung gegenüber. Dieses Missverhältnis verhindert die erwartete Patientenbeteiligung auf Augenhöhe.

Auch stehen keine angemessenen Ressourcen zur Verfügung. Eine Patientenbeteiligung auf Augenhöhe erfordert Mittel zur Inanspruchnahme fachlicher und rechtlicher Kompetenzen. Gewährleistet werden muss auch der fachliche Austausch mit den entsendenden Verbänden und den "Experten in eigener Sache". Das Ungleichgewicht zwischen Patientenvertretung, Leistungserbringern und Kostenträgern muss ausgeglichen werden.

Nur so ist eine ausreichende Beteiligung bei der Gestaltung und bei der patientenorientierten Umsetzung der Richtlinien gewährleistet. Die Bestellung von unabhängigen Ombudspersonen bei allen Medizinischen Diensten wird ausdrücklich begrüßt. Sie müssen allerdings ausreichend personell und finanziell ausgestattet werden. Der Zugang zur Ombudsperson muss für alle Versicherten leicht möglich sein und offensiv "beworben" werden.

Patientenvertretung / Koordination

Strukturelle Fragen stellen sich auch in weiteren Bereichen der Patientenbeteiligung z.B. nach §140 f SGB V, §118 SGB XI oder in der Qualitätssicherung.

Trotz der seit 2004 gesetzlich verbrieften Mitwirkungsrechte der Interessenvertretungen der Patientinnen und Patienten existiert nach wie vor keine Beteiligung auf Augenhöhe.

Gefordert wird die angemessene und nachhaltige Finanzierung von Stabs- und Koordinierungsstellen in allen Bundesländern, die bei den Vertretungen der originären Selbsthilfe angesiedelt werden müssen. Darüber hinaus müssen angemessene Strukturen u. Ressourcen für den Kompetenz- und Informationsaustausch zwischen Bundes- und Landesebene sichergestellt werden.

Die Beteiligten sprechen sich für eine bundesweit einheitliche Finanzierung der Stabs- und Koordinierungsstellen auf Länderebene aus. Das Engagement ehrenamtlich tätiger Menschen muss noch stärker Berücksichtigung finden, z.B. durch Freistellungsregelungen vom Arbeitsplatz.

Partizipation weiterentwickeln: Was wir meinen, was wir brauchen.

Die generelle Partizipation von Menschen mit Behinderungen und chronischer Erkrankung sowie ihrer Angehörigen entspricht in der Realität nicht den Rechten nach der UN-BRK. Deutlich wird das an der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) und weiteren Gesetzen.

Verbände der Selbstvertretung und der Selbsthilfe wie die Landesarbeitsgemeinschaften und die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe, sind die einzigen Organisationen, die eine Struktur besitzen, die sich aus der betreffenden Personengruppe zusammensetzen und explizit deren Belange im Blick haben. Damit erhalten sie ein starkes Mandat und sind so die legitimen Interessenvertretungen der betroffenen Menschen.

Um aus diesem Selbstverständnis heraus Partizipation weiterzuentwickeln und so bei der Umsetzung der UN-BRK und nachfolgender Gesetze gleichberechtigt mitwirken zu können, braucht es eine finanzielle und strukturelle Stärkung der Selbstvertretung und der Selbsthilfe auf Bundes- und Länderebene. Um auf Augenhöhe mit staatlichen Institutionen oder anderen Akteuren agieren zu können, muss dies Berücksichtigung in entsprechenden gesetzlichen Regelungen finden.

Dresden, 29.10.2021

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