Sie sind hier: Startseite > Aktuelles > Beitrag anzeigen

Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz

22.06.2009 von LAG Redaktion

Stellungnahme der Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen e.V. (LAG) zum Referentenentwurf

I. Allgemein Grundsätzlich ist der Entwurf zu begrüßen. Es handelt sich um einen weitgehend gelungenen Versuch, die komplizierte Materie sachgerecht zu regeln. Die Ausweitung des Geltungsbereiches auf Bereiche jenseits des "Heimes" entspricht der jetzigen und zukünftigen Entwicklung (Ambulantisierung, Reform der Eingliederungshilfe usw.). Menschen mit Hilfe- und Assistenzbedarf und "eingeschränkter Alltagskompetenz" wollen und können zunehmend außerhalb stationärer Strukturen leben, bleiben aber besonders abhängig/schutzbedürftig und benötigen also Unterstützung, die über allgemeine verbraucherrechtliche Regelungen hinausgeht. Die Unterschiede stationär/ambulant verwischen sich; das ist auch politisch gewollt. Den Gedanken der Ausweitung des Geltungsbereiches, bei gleichzeitiger Reduzierung einiger bürokratischer Anforderungen, unterstützen wir ausdrücklich. Der Entwurf führt, gerade auch im ambulanten Bereich, zusätzliche Qualitätskriterien, Anforderungen und Pflichten sowie verbesserte Instrumente zur Transparenz des Geschehens für Nutzerinnen und Nutzer ein. Das ist zu begrüßen; in einigen Punkten sind aber Präzisierungen nötig (siehe Einzelanmerkungen unten), damit diese Anforderungen und Pflichten nur dort eintreten, wo sie erforderlich sind, und sich nicht kontraproduktiv auswirken. Mit der "Ambulantisierung" und anderen Entwicklungen werden Fortschritte in Konzeption und Qualität der Assistenzangebote für behinderte Menschen bezweckt. Besondere Abhängigkeiten und Gefährdungen können aber für bestimmte Personengruppen auch in neuen Strukturen weiter bestehen. Hier muß der Staat weiterhin besondere Unterstützung- und Schutzmechanismen gewährleisten. Anbieter sollten hier nicht aus "Prestigegründen" danach streben, die intensiveren Stufen der Beratung und Kontrolle zu umgehen. Zielsetzung muß sein, möglichst viel Lebensqualität und Selbständigkeit für die Nutzer zu ermöglichen. "Möglichst wenig Heimaufsicht" ist aus Nutzerperspektive für sich genommen kein erstrebenswertes Ziel oder Qualitätsmerkmal eines Angebotes. II. Verständlichkeit Nutzer, Angehörige, Mitarbeiter vor Ort sollten ein derartiges Gesetz lesen und weitgehend verstehen können. Das ist laut Begründung auch ausdrücklich gewollt. Dafür sind aber die zahlreichen Querverweise ("§ 17 Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend") sehr hinderlich. Juristische Laien sind damit meistens überfordert. Wer z.B. mit ambulanten Diensten der Behindertenhilfe zu tun hat, sollte im entsprechenden Abschnitt 6 auch alle wichtigen Informationen finden. Statt der Querverweise wären also Wiederholungen sinnvoller, auch wenn der Text dadurch noch länger wird. III. Anmerkungen zu einzelnen §§ des Entwurfs §2 Anwendungsbereich, Abs. 6 und 10 Ambulante Dienste können nicht nur gewerblich oder im Rahmen der freien Wohlfahrtspflege tätig sein, sondern auch in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. Es sollte das "Mißverständnis" vermieden werden, daß dann das Gesetz nicht gilt. Beispiel: das UKE (Stadt Hamburg) oder das Unfallkrankenhaus Boberg (Berufsgenossenschaft) könnten ambulante Dienste als rechtlich unselbständige Einheiten betreiben (öffentlich getragene Krankenhäuser in Schleswig-Holstein machen das teilweise schon). Da sollten keine "Zweifel" entstehen, ob dann das Gesetz auch gilt. Entsprechend sollte das Gesetz nach Abs. 10 für Krankenhäuser usw. ebenfalls gelten. Vorschlag: "Dieses Gesetz gilt für Krankenhäuser usw. usf. nur insoweit, als sie als Leistungserbringer im Sinne des Abs. 8 auftreten". Wenn man die Begründung zu § 2 Abs. 6 Nr. 1 wörtlich nimmt, würden auch Pflegedienste, die als gemeinnützig anerkannt sind (also keine "Gewinnerzielungsabsicht" haben), aber keinem "anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege" angehören, nicht unter das Gesetz fallen. Das ist inhaltlich gewiß nicht so gemeint. Bei der Begründung zu § 2, Abs. 8 ist offenbar durch redaktionelles Versehen ein sprachlich und inhaltlich unzutreffender Satz entstanden. Vermieter sind jedenfalls - im wünschenswerten Normalfall - gerade NICHT als "Leistungserbringer" anzusehen, sondern müssen keine weiteren Funktionen als die reine Vermietungstätigkeit übernehmen. § 5, Weiterentwicklung und Erprobung Eine dauerhafte Befreiung von den Anforderungen nach § 11 erscheint weder sinnvoll noch nötig. § 6, Servicewohnanlagen Die Normierung von Anforderungen und Pflichten für Servicewohnanlagen ist aus Gesichtspunkten des Verbraucherschutzes sinnvoll. Auch für behinderte Menschen mit zusätzlichem Hilfe- und Assistenzbedarf kann es zukünftig attraktiv werden, eine Wohnung in einer Servicewohnanlage anzumieten und darüberhinaus ambulante Dienste in Anspruch zu nehmen. Das betrifft behinderte Menschen, die hinsichtlich Alter und Lebenslage in der Bewohnerschaft einer Servicewohnanlage ein angemessenes Umfeld finden. Auch diese Menschen haben ein Interesse an verläßlichen, klar definierten Dienstleistungen (Grundleistungen) des Betreibers der Servicewohnanlage. Die Definition von Mindestanforderungen als Voraussetzung für die Berechtigung, den Begriff "Servicewohnen" zu benutzen, ist deshalb zu begrüßen. §§ 9 und 10 Wohngemeinschaften Die Soll-Vorschrift über schriftliche Vereinbarungen ist sicher generell sinnvoll; aus der Erfahrung mit umgewandelten Wohngemeinschaften im Rahmen der "Ambulantisierung" zeigt sich aber, daß die Nutzer nicht immer ein gesteigertes eigenes Interesse daran haben, derartige Vereinbarungen auszuarbeiten. Vereinbarungen über die zur Interessenvertretung notwendigen Regelungen und Instrumente sowie über den Umgang mit Dienstleistern sind wünschenswert. Ob aber Regelungen des Zusammenlebens schriftlich festgelegt werden, ist eher eine "Privatsache" der NutzerInnen. Die zuständige Behörde wird sich ohne schriftliche Vereinbarungen ein persönliches Bild davon machen können, ob die Bewohnerinnen und Bewohner ihr Zusammenleben selbst regeln oder von Vorgaben des Dienstleisters abhängig sind. Die Einbeziehung von Wohngemeinschaften mit mehr als 10 Bewohnern in die Regelungen für Wohn-Pflege-Einrichtungen ist zu begrüßen. (Im Entwurf werden allerdings nur die Anforderungen an Wohn-Pflege-Einrichtungen nach § 11ff, nicht die Befugnisse der Behörde für Wohn-Pflege-Einrichtungen nach § 32ff auf Wohngemeinschaften mit über 10 Bewohnern übertragen. Dies scheint ein redaktionelles Versehen zu sein.) Bei einer derartigen Größe ist der Charakter einer auf freiwilligen privaten Beziehungen beruhenden Wohngemeinschaft nicht mehr sehr wahrscheinlich. Die Übergangsregelung in § 44, Abs. 2 sollte dahingehend geändert werden, daß für die schon bestehenden größeren Wohngemeinschaften eine Übergangsfrist (z.B. 2 Jahre) gilt und sie nicht für alle Zeit anders behandelt werden als neu entstehende Einrichtungen. In der Begründung zu § 9 sollte die Aussage gestrichen oder umformuliert werden, nach der Wohngemeinschaften (Auftraggebergemeinschaften) gegründet werden, weil andernfalls aufgrund des hohen Betreuungsbedarfes eine ausreichende ambulante Versorgung nicht möglich sei. Für die Systematik des Gesetzes und der Begründung ist diese Aussage entbehrlich. Sie schreibt jedoch einen Zustand als selbstverständlich fest, der dem Bedarfsdeckungsprinzip von Sozialleistungen (insbesondere SGB XII) faktisch widerspricht. Ungeachtet der Einschränkungen durch § 13 SGB XII muß eine ausreichende bedarfsdeckende Versorgung grundsätzlich immer auch in der eigenen Wohnung möglich sein, ohne aus Kostengründen kollektive Betreuungsleistungen nutzen zu müssen. Aus Kostengründen "erzwungene" Wohngemeinschaften sollten nicht per Gesetzesbegründung als unbedenklicher Normalfall dargestellt werden. § 10 sollte überarbeitet werden. Der Wortlaut orientiert sich offenbar an den Erfahrungen mit Demenz-Wohngemeinschaften, die einer langen Vorbereitung bedürfen. Generell ist aber nicht einzusehen, warum Wohngemeinschaften im Unterschied zu allen anderen Einrichtungen mit 6 statt 3 Monaten Vorlauf anzumelden sind. Gerade Wohngemeinschaften könnten in manchen Fällen auch kurzfristig und geradezu "spontan" entstehen, wenn der Wohnungsmarkt dies hergeben würde. Eine Verpflichtung dessen, der "Wohnraum überlassen will", ist in der vorliegenden Form nicht sinnvoll, sondern behindert das Entstehen von Wohngemeinschaften. Denn sie würde auch (private, gewerbliche, genossenschaftliche) Vermieter treffen, die bereit sind, eine geeignete Wohnung zu überlassen, aber selbst keinerlei Interesse oder Kenntnisse im Umgang mit behinderten oder pflegebedürftigen Menschen haben. Diese Vermieter werden keinesfalls bereit sein, sich mit Vorschriften dieses Gesetzes auseinanderzusetzen, sondern lieber "die Finger davon lassen". Anmeldepflichten usw. sollten allenfalls "Initiatoren" treffen (wobei nicht immer klar sein wird, wer der "Initiator" ist), oder die Dienste, die die Betreuung/Pflege übernehmen, wie in §§ 25 und 29 vorgesehen. Auch der Sozialhilfeträger wird oftmals frühzeitig Kenntnis von der Absicht haben, eine Wohngemeinschaft zu gründen. Wenn die Vorschriften der verschiedenen Bücher des SGB hierzu nicht ausreichen sollten, könnte in das WBQ eine Ermächtigung bzw. Verpflichtung des Sozialhilfeträgers aufgenommen werden, die zuständige Behörde in diesen Fällen zu informieren. Die Begründung zu § 35 verweist auf eine "Sondervorschrift für Mängel in der Selbstorganisation von Wohngemeinschaften", die im Wortlaut von § 35 aber nicht enthalten ist. § 11 Wohn-Pflege-Einrichtungen Die (hohen) Anforderungen sind zu begrüßen. § 11, Nr. 3b): Hier (oder in der nach § 43 zu erlassenden Verordnung) sollte das Recht auf ein Einzelzimmer als Regelfall normiert werden, von dem nur auf besonderen Wunsch der Bewohnerin/des Bewohners abgegangen werden darf. § 11, Nr. 3c): hier sollte die "Selbständigkeit" ergänzt werden um "Selbstbestimmung" (entsprechend in §§ 20 und 22 ergänzen). § 11, Nr. 10 wird in der Begründung nachvollziehbar begründet (Einhaltung der bundesrechtlichen Vorschriften über Wohn- und Betreuungsverträge), fehlt aber im Text des Gesetzentwurfes. § 12 Teilhabe sollte sich nicht nur auf "pflegebedürftige" Nutzer beziehen, sondern auch auf behinderte Menschen, die keine Pflegestufe haben. Die Begründung, behinderte Menschen hätten angesichts umfassender Leistungsansprüche hier kein Schutzbedürfnis, überzeugt nicht. § 13 Mitwirkung sollte eher "Mitbestimmung" heißen. Zumindest Abs. 1, Durchführung der Betreuung und Gestaltung des unmittelbaren Wohnumfeldes, müßte als "Mitbestimmungsrecht" und nicht nur als "Mitspracherecht" ausgestaltet sein. Abs. 4, Mitwirkung bei Fehlen eines Wohnbeirates: hier sollten (in der zu erlassenden Verordnung) Anforderungen an wirksame Formen der Vertretung formuliert werden. Andernfalls entstehen erfahrungsgemäß auch Vertretungsformen, die faktisch nicht wirksam sind. § 15 Qualitätsmanagement Abs. 1 Ziff. 2 "Pflegevisiten" sollten für Einrichtungen der Behindertenhilfe mit geringem pflegerischem Anteil nicht vorgeschrieben werden, der Wortlaut sollte in diesem Sinne klargestellt werden. Abs. 2, Befragungen: Schriftliche Befragungen sind für viele NutzerInnen ungeeignet. Bei mündlicher / persönlicher Befragung muss aber wiederum Unabhängigkeit der befragenden Person gewährleistet sein. § 18 Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht Abs. 2, Aufbewahrungspflicht über (mindestens) 5 Jahre ist sicherlich angemessen. Danach sollte es aber z.B. heißen, daß die Aufzeichnungen "auf Verlangen der Betroffenen zu löschen sind, soweit nicht nach anderen Rechtsvorschriften eine Aufbewahrungspflicht weiterbesteht". Eine generelle Pflicht zur Löschung nach 5 Jahren ist weder realistisch (andere Gesetze verlangen z.T. längere Fristen) noch sinnvoll. Im Gegenteil kann es ein berechtigtes Interesse von Nutzern, Angehörigen, Mitarbeitern usw. geben, auch noch nach längerer Zeit Informationen aus den in Abs. 1 aufgelisteten Themenbereichen erfragen zu können. Auch für die spätere Geltendmachung eventueller Ansprüche wegen fehlerhafter Dienstleistungen kann es im Interesse der Nutzer sein, daß die Einrichtung ihre Aufzeichnungen weiterhin aufbewahren oder archivieren muß. Man wird auch nicht ernsthaft einer Einrichtung verbieten wollen, sich 5 Jahre nach dem Ausscheiden eines Bewohners oder eines Mitarbeiters noch an dessen Namen zu erinnern. Und bei Aufzeichnungen über Gesundheitszustand, therapeutische Maßnahmen, Freiheitsentziehung usw. kann es sehr sinnvoll sein, nach sehr langer Zeit auf Bewohnerakten usw. zurückgreifen zu können, um Entwicklungen nachvollziehen zu können. Werden behinderte Menschen nach jahrzehntelanger Unterstützung alt und z.B. dement, sind alte Aufzeichnungen u.U. eine unverzichtbare Hilfe, um die wünschenswerte biographieorientierte Pflege und Betreuung realisieren zu können. Auch unabhängig von Demenzerkrankungen gibt es alte behinderte Menschen, die im Laufe des Lebens in verschiedenen Einrichtungen gelebt haben, für die nur mithilfe alter Aufzeichnungen eine Rekonstruktion ihrer Biographie möglich ist. § 19 Hausrecht Das besonders zu schützende Interesse der Nutzer (das gegen das Hausrecht des Betreibers abzuwägen ist) bezieht sich nicht nur auf Angehörige, sondern muß auch zumindest "Personen ihres Vertrauens" umfassen. Im Sinne einer selbstbestimmten Lebensführung sollte besser generell ein schützenswertes Interesse der Nutzerinnen und Nutzer am persönlichen Umgang mit "Besucherinnen und Besuchern" anerkannt werden. Die "Störung der Arbeitsabläufe" sollte als Grund für ein Hausverbot gestrichen werden, weil dieser Grund zu weit auslegbar ist. Besucher, die z.B. außerhalb vorgegebener "Besuchszeiten" und während der Mahlzeiten kommen, können schon als "Störung der Arbeitsabläufe" betrachtet werden. §§ 26 und 30, Aufzeichnungspflichten § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 verpflichtet zu Aufzeichnungen über die Leistungserbringung. Hinsichtlich der Quittierung durch Nutzer oder ihre Vertreter sollte generell kein Unterschied zwischen pflegebedürftigen (§ 26) und behinderten (§ 30) Menschen gemacht werden. Personen, für die dies realistischerweise nicht möglich ist, gibt es in beiden Gruppen gleichermaßen (bestimmte Formen geistiger Behinderung bzw. bestimmte Formen von Demenz). - Der Aufbewahrungsort dieses Teils der Aufzeichnungen ist in § 26 Abs. 2 nicht festgelegt. Wenn eine Aufbewahrung nicht ohnehin beim Nutzer erfolgen soll, sollte es zu den Aufzeichnungen nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 heißen: "Der Nutzerin oder dem Nutzer oder deren Vertreter ist auf Wunsch eine Kopie auszuhändigen". Die Aufzeichnungen im Sinne der Nr. 5 einschließlich der Aushändigung von Kopien sind auch für den stationären Bereich (§ 18) zu fordern. Die betreffenden Informationen sind in der Regel in Dokumentationen ohnehin vorhanden. Das Interesse von Nutzern, Angehörigen, gesetzlichen Vertretern usw. an Transparenz hinsichtlich der tatsächlichen Erbringung der Leistungen besteht im stationären Bereich genauso wie im ambulanten. § 27 Anforderungen an Dienste der Behindertenhilfe In der Behindertenhilfe wird der Begriff "Dienste" nicht immer nur für ambulante Dienste verwandt. Es würde Mißverständnisse ausschließen, wenn im Abschnitt 6 / §§ 27ff durchgehend von "Ambulanten Diensten der Behindertenhilfe" gesprochen würde. Die aufgelisteten Anforderungen sind in den meisten Fällen sinnvoll, sollten aber in ihrem Geltungsbereich eingeschränkt werden. Sinnvoll wäre eine "Geringfügigkeitsregelung": die Anforderungen nach § 27 wären dann nicht anwendbar auf Personen, die selbständig entsprechende Dienste anbieten, ohne Mitarbeiter zu beschäftigen. Die Prüfrechte der Behörde können jedoch auch in diesen Fällen bestehen bleiben. Beispiel 1: körperlich schwerstbehinderte und intensiv assistenzbedürftige Menschen organisieren sich Assistenz in eigener Verantwortung und Finanzierung (z.B. über persönliche Budgets). Es erweist sich als passend, daß Assistenten als Selbständige auftreten. Nach dem bisherigen Wortlaut würde es sich hier um Dienste handeln, die die Anforderungen nach § 27 erfüllen müssen. Daran haben die behinderten Assistenznehmer u.U aber gerade kein Interesse, und als in ihrer Alltagskompetenz und Geschäftsfähigkeit uneingeschränkte Bürger sind sie auch in dieser Hinsicht nicht besonders schutzbedürftig. Beispiel 2: Familien mit einem behinderten Angehörigen nehmen stundenweise die Dienste einer Assistenzperson in Anspruch, die ins Haus kommt und als Honorarkraft (Selbständige) auf Abruf tätig ist. Nach dem bisherigen Wortlaut handelt es sich dann bereits um einen ambulanten Dienst der Behindertenhilfe. Die Anwendung der Kriterien des § 27 ist aber auch hier weder realistisch noch im Interesse der Nutzer. In § 27 sollten auch die Anforderungen aus § 11, Nr. 3, a) und c)-g) (ausreichend geeignetes Personal, personenzentrierte Betreuung, Kontinuität in der Betreuung usw) übernommen werden. Für ambulante Pflegedienste (§ 22 Nr. 4) wurden sie ebenfalls entsprechend angepaßt übernommen. Qualitätsanforderungen in der Behindertenhilfe sind zwar teilweise inhaltlich anders, insgesamt aber nicht geringer festzusetzen als in der Pflege. Bei der Assistenz für behinderte Menschen ist die kostentechnische Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe, Pflege (SGB XI) sowie Hilfe zur Pflege (SGB XII) eher historisch als sachlich begründet. Aus unserer Sicht sollten deshalb für den Tatbestand "Pflege" (Anforderungen nach § 22) dieselben Einschränkungen des Geltungsbereiches bzw. Ausnahmen bei Ein-Personen-Diensten vorgesehen werden, wie sie oben für ambulante Dienste der Behindertenhilfe vorgeschlagen wurden. § 28 Erstgespräch Klarstellung wünschenswert: das Erstgespräch ist natürlich auch dann verpflichtend, wenn der Gesamtplan des Sozialhilfeträgers (noch) nicht vorgelegt wurde, weil dessen Zuständigkeit nicht gegeben oder noch fraglich ist (z.B. Berufsgenossenschaften, private Haftpflicht eines Unfallgegners als Kostenträger, oder Selbstzahler). § 33 Prüfergebnisse Die gewünschte Erhöhung der Transparenz könnte durch eine Vorschrift noch verbessert werden, nach der Nutzer (oder ihre Vertreter) ein Recht auf Einsichtnahme in den Prüfbericht haben. § 34 Prüfung Ein Zeitraum von 4 Jahren zwischen den Prüfungen ist zu lang. Zwischen Konzeption und realer Praxis können bekanntlich beträchtliche Lücken entstehen, innerhalb von 4 Jahren kann der "Modellcharakter" einer Einrichtung sich verflüchtigt haben. § 39 Beratungsstellen Geeignete Beratungsstellen mit der notwendigen fachlichen Kompetenz müssen auch für behinderte Menschen unabhängig von Einrichtungsträgern und Dienstleistern bereitstehen. Die in der Begründung genannten Stellen (Pflegestützpunkte, Hamburger Koordinierungsstelle für Wohn-Pflege-Gemeinschaften) werden nach ihrer bestehenden bzw. absehbaren Organisation und Ausstattung vorrangig die Aufgaben im Zusammenhang mit der Pflege und Unterstützung alter Menschen, einschließlich Menschen mit Demenzerkrankung, abdecken können. Parallel zum Gesetzgebungsverfahren sollten daher Finanzierungsmöglichkeiten erschlossen werden, um auch für behinderte Menschen unabhängige Beratung gewährleisten zu können. Aus Sicht der LAG bietet es sich an, hier an die im Jahre 2009 auslaufende Beratungsstelle Ambulantisierung der LAG anzuknüpfen. § 41 Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter Hier (oder in § 3) sollte ergänzt werden, daß die Mitarbeiter gehalten sind, sich bei den Nutzern regelmäßig bekannt zu machen und über Beratungsmöglichkeiten zu informieren. § 43 bzw. ohne Zuordnung zu bestehenden §§: Barrierefreiheit Bei den in § 6 (Servicewohnanlagen) und § 11 (Wohn-Pflege-Einrichtungen) formulierten Anforderungen fehlen Hinweise auf die Barrierefreiheit. Zusätzlich müßte auch bei Treffpunkten, Stützpunkten und ähnlichen Räumlichkeiten, die im Rahmen ambulanter Leistungen der Pflege und/oder der Hilfen für behinderte Menschen an Bedeutung gewinnen, Barrierefreiheit gesetzlich gefordert werden. Zumindest sollte die Verordnungsermächtigung in § 43 entsprechend erweitert werden, um später bei Erlaß der Verordnungen präzise Anforderungen zur Barrierefreiheit festlegen zu können. Die bestehenden Regelungen der Hamburgischen Bauordnung sind in diesem Zusammenhang nicht ausreichend: - bestehende, nicht barrierefreie Gebäude genießen bisher unbegrenzten Bestandsschutz, solange keine Nutzungsänderung oder größere Baumaßnahme beantragt wird. Bei Einrichtungen, die dem Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz unterliegen, müssen aber Anpassungen auch bestehender Gebäude, ggfs. mit angemessenen Übergangsfristen, gefordert werden können. Auch die bisherige Rechtslage (Heimgesetz und Heimmindestbauverordnung des Bundes) ermöglichte es, nachträgliche Anpassungen an veränderte bauliche Mindestanforderungen zu fordern und andernfalls die Zulassung als Heim zu entziehen. Diese Möglichkeit sollte bei der neuen landesrechtlichen Regelung ebenfalls verankert werden. - die Bauordnung fordert zwar Barrierefreiheit (bei Neubauten), jedoch nur in den für die Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen der Gebäude. Bisher war zum Teil strittig, ob die für namentlich bekannte Nutzer gedachten Räume (Bewohnerzimmer in Heimen, Krankenzimmer in Krankenhäusern, Klassen- und Fachräume in Schulen...) in diesem Sinne als "öffentlich zugänglich" gelten. Die Bauordnung macht hierzu keine klare Aussage. Die BSU hat sich zwar zwischenzeitlich hier zu einer eindeutigen Rechtsauffassung entschlossen, die aber zunächst nur für die Bauaufsicht verbindlich ist, nicht für die Bauherren. Langwierige Gerichtsverfahren mit ungewissem Ausgang sind hier denkbar. Zu den beiden genannten Aspekten hat die LAG in ihrer Stellungnahme zur parallel zur Novellierung anstehenden Bauordnung Veränderungen gefordert. Es ist uns aber bisher nicht bekannt, ob die BSU bzw. der Senat diesen Anregungen folgen wird. Hier ist in jedem Falle eine Abstimmung erforderlich, um entweder in der Bauordnung oder im Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz Regelungen zu treffen. Verhältnis zu § 75 SGB XII Der WBG-Entwurf normiert Qualitätsanforderungen und Prüfungsrechte, die sich großenteils mit Leistungs- und Prüfvereinbarungen nach § 75 SGB XII überschneiden können. Sicherlich sollten auch hier widersprüchliche Anforderungen und überflüssige Doppelprüfungen vermieden werden, wie es der WBG-Entwurf im Verhältnis zu den Qualitätsanforderungen und Prüfrechten nach SGB XI (Pflegeversicherung) ebenfalls vorsieht. Im Rahmen der Vertragsgestaltung nach § 75 SGB XII ist sicherlich Raum, hier eine Abstimmung vorzunehmen. Aus Sicht der LAG sollten die Anforderungen und Prüfrechte in jedem Falle im WBG uneingeschränkt verbleiben: - im WBG geht es um Standards, Beratungs- und Prüfmöglichkeiten im Sinne des Verbraucherschutzes. Deren Ausgestaltung darf nicht an die Vertragspartner des § 75 SGB XII delegiert werden. Dort spielen Kostengesichtspunkte des Sozialhilfeträgers und Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte der Dienstleister eine große Rolle, während Nutzerinteressen nicht als Vertragspartner repräsentiert sind - das WBG erstreckt sich auch auf Nutzer, sowie auf Einrichtungen und Dienste, die vom § 75 SGB XII nicht erfaßt werden. Das betrifft sowohl Selbstzahler (z.B. in "Seniorenresidenzen") als auch behinderte Menschen, die sich über persönliche Budgets oder über pauschalierte Leistungen der Eingliederungshilfe Dienstleistungen beschaffen, ohne daß der Dienstleister einer Leistungs- und Prüfvereinbarung mit dem Sozialhilfeträger unterliegt. Wenn die wünschenswerte Ausweitung von Persönlichen Budgets und Pauschalen gelingt, werden diese Fälle zukünftig zahlreicher. Auch hier sind aber gesetzliche Regelungen im Sinne des Verbraucherschutzes unverzichtbar.

Zurück